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LYRICS

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DANIEL RAISKIN , EWA MARCINIEC , Staatsorchester Rheinische Philharmonie ·
Knabenchor des Mainzer Domchores, Damenchor der Domkantorei Mainz
Posthorn Solo: Peter Mönkediek

"GUSTAV MAHLER · Sinfonie No. 3 d-Moll"

DAS IRDISCHE UND DAS EWIGE: Die 3. Symphonie Gustav Mahlers

„Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen.“
G. Mahler (aus „Erinnerungen an Gustav Mahler“ von Natalie Bauer-Lechner)

„Ich bin nämlich überzeugt, wenn Gott aufgefordert würde, sein Programm zur "Welt", die er geschaffen, zu geben, könnte er es ebensowenig. “
G. Mahler (Aus dem Brief an Alma Schindler vom 19 Dezember 1901)

Der Komponist, der eine so offene „Rivalität“ mit Gott gewagt hat, war außerdem ein großer Dirigent: Mit seinem Namen ist eine ganze Epoche in der Dirigentenkunst verbunden. Mit aufopferungsvoller Ergebenheit diente Gustav Mahler am Dirigentenpult der Musik von Mozart und Beethoven, Wagner und Bruckner, Verdi und Tschaikowski. Als Dirigent hat Mahler die Meisterwerke der Klassiker und seiner eigenen Zeitgenossen neu erschaffen, als wäre er deren Mitverfasser und Mitschöpfer.

Den bekannten Aphorismus von Friedrich Schelling – „Die Architektur ist die erstarrte Musik“ – übersetzte Mahler in seine Dirigentensprache: Musik ist die Architektur in der Zeit, eine bewegliche und fließende Architektur. Und dieser Auffassung entsprechend erschuf er in Anwesenheit von Tausenden Zuschauern und Zuhörern die grandiosen Tempel seiner Symphonien und Opern. Er zeichnete nicht mit sklavischer schülerhafter Hand fremde Vorgaben nach, er baute nach den Zeichnungen großer Architekten. Und eben dieser Prozess des Baus der musikalischen Form als solcher, d.h. ihrer Entfaltung in der Zeit war für Mahler unendlich wichtiger als das Endziel – die vollkommene Form eines Kristalls, in der sich das verklungene Werk im Bewusstsein des Zuhörers verkörpert.

Darin bestand eigentlich der allerwichtigste Beitrag Mahlers zur Ästhetik und künstlerischen Praxis des Dirigierens. Mahler war nicht der erste komponierende Dirigent in der Geschichte der musikalischen Interpretation: Das Fundament der Dirigentenkunst war bereits durch Weber und Berlioz, Wagner und List, Richter und Bülow fest vorgegeben. Aber Mahler begriff als erster die Wagnersche Furcht vor der kristallinen Form und setzte in seiner Rolle als Komponist und Dirigent die Konzeption der Form als Prozess konsequent um. Beim Dirigieren seiner eigenen Symphonien vereinte Mahler auf glückliche Art und Weise den musikalischen Architekten mit dem Bauingenieur, der sein „Bauprojekt“ unmittelbar im Konzertsaal verwirklicht. Erst nach Mahlers Tod begannen große Theoretiker wie Ernst Kurth in seiner Monographie über Bruckner (1925) und Boris Assafjew in seinem Buch mit dem sprechenden Titel „Die musikalische Form als Prozess“ (1930) darüber zu schreiben.

Die Entstehung und Bestätigung von Mahlers symphonischer Konzeption fand ihre Realisierung auf den Seiten der Partitur in Gestalt einer allmählichen Reifung und Verwandlung der eigentlichen musikalischen Themen – wiederum eines Prozesses, der sich während der Interpretation in Anwesenheit der Zuhörer vollzog.

Der Name Wagners taucht in Verbindung mit Mahler am häufigsten dann auf, wenn man über die von Mahler realisierten vorbildlichen Inszenierungen der von Wagners Opern „Lohengrin“, „Tristan und Isolde“ und der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ spricht. Aber es ist nicht weniger von Bedeutung, welche entscheidenden Schlussfolgerungen der Komponist Mahler aus den Äußerungen Wagners über die Zukunft der Symphonie und Instrumentalmusik insgesamt zog. Wir erinnern an die kategorischen Worte des jungen Wagner über die 9. Symphonie: „Die letzte Symphonie Beethovens ist die Erlösung der Musik aus ihrem eigensten Elemente heraus zur allgemeinsamen Kunst. Sie ist das menschliche Evangelium der Kunst der Zukunft“ (Das Kunstwerk der Zukunft, 1849).

Im gleichen Jahr beendet Wagner seinen zweiten grundlegenden Aufsatz „Die Kunst und die Revolution“. Auf dem Titelblatt des Manuskripts findet sich der vielsagende Satz: „Musik beginnt da, wo Worte enden“ (Heinrich Heine). Wagner glaubt, dass Beethoven mit seiner 9. Symphonie das Gegenteil beweist: Da, wo die Musik kraftlos ist, kommt ihr das Wort zur Hilfe. Und hier sind die Zeilen aus Mahlers Brief an seinen Freund Arthur Seidl vom 17. Februar 1897: „Wenn ich ein großes musikalisches Gebilde konzipiere, so komme ich immer an den Punkt, wo ich mir das "Wort" als Träger meiner musikalischen Idee heranziehen muß. – So ähnlich muß es Beethoven bei seiner IX. gegangen sein…“
Die österreichische Bratschistin und Freundin Mahlers seit der Zeit seines Studiums am Wiener Konservatorium Natalie Bauer-Lechner gibt in ihren Erinnerungen folgende Äußerung des Komponisten wieder: „Das war das Ei des Kolumbus, daß ich in meiner Zweiten Symphonie mit dem Wort und der menschlichen Stimme einsetzte, wo ich es, um mich verständlich zu machen brauchte. Schade, daß mir das in der Ersten noch gefehlt hat! In der Dritten geniere ich mich aber nicht mehr...“

In einem Brief an Friedrich Löhr vom 17. August 1895 berichtet der Komponist: „Der Sommer brachte mir die III. – wahrscheinlich das Reifste und Eigenartigste, was ich bisher gemacht.“ Überhaupt war der Sommer eine besonders fruchtbare Jahreszeit für Mahler, der sich in seinem Urlaub von den alltäglichen Pflichten eines Dirigenten sowie von der seine Aufmerksamkeit stark in Anspruch nehmenden „fremden“ (nicht seiner eigenen!) Musik befreite.

Dieses Mal verbrachte Mahler den Urlaub in Steinbach am Attersee, einem Bergkurort in Oberösterreich, wo die majestätische Natur bei der Schöpfung einer neuen Symphonie „mitwirkte“. Der bei Mahler als Gast weilende Bruno Walter erinnerte sich: „Als mein Blick auf unserem Wege nach seinem Haus auf das Höllengebirge fiel, dessen starre Felsenwände den Hintergrund der sonst so anmutigen Landschaft bilden, sagte Mahler: "Sie brauchen gar nicht mehr hinzusehen – das habe ich schon alles wegkomponiert"; und er sprach sofort vom Aufbau des ersten Satzes, dessen Einleitung in der Skizze den Titel trug Was mir das Felsgebirg erzählt.“

Und dies war keine Metapher: Wenn er sein kleines hölzernes „Komponierhäuschen“ über dem See verließ, ging Mahler in die Berge und hörte und hörte. Ende August 1895 lagen bereits alle Sätze der Symphonie außer dem Ersten in der Partiturfassung vor. Aber um die Berge zu hören, reichte Mahler ein Sommer nicht aus:
Der erste Satz der Symphonie wurde erst im Sommer folgenden Jahres 1896 beendet.
Und wenn im Finale der 2. Symphonie, komponiert auf den Text „Aufersteh´n, ja aufersteh´n wirst du…“ aus der Ode von Friederich Klopstock, Mahler das ewige Leben des schöpferischen Geistes besang und dabei das Problem der persönlichen Unsterblichkeit auf seine eigene Art löste, so entsteht vor uns in der 3. Symphonie „die grandiose Konzeption des unsterblichen Lebens von Allem, die Konzeption der unversiegbaren künstlerischen Kraft der Natur, die das Niedere wie das Hohe erschafft“ (Inna Barsova).

Es ist kein Zufall, dass ein anderer Autor eine auf den ersten Blick außergewöhnliche, aber treffende Bemerkung macht: „Die Dritte ist doch auch ein eigentümliches, sehr junges und doch reifes und vollkommenes Lied von der Erde“ (Konstantin Rosenschild).

Der Unterschied liegt darin, dass das Spätwerk von Mahler durch die Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet wird, während in der 3. Symphonie der Mittagslicht und der ein unbesiegbare Optimismus der Jugend triumphiert.

In einem Brief an F. Löhr vom 29. August 1895 schreibt Mahler: „Meine neue Symphonie wird circa 1 ½ Stunden dauern – es ist alles in großer Symphonieform“ und gibt im Weiteren das Programm der Symphonie bekannt, dessen Titel „Die fröhliche Wissenschaft“ er Friedrich Nietzsche entnimmt. Hier ein Auszug aus dem Vorwort Nietzsches zu seinem Buch „Die fröhliche Wissenschaft“: „Das bedeutet die Saturnalien eines Geistes, der einem furchtbaren langen Drucke geduldig widerstanden hat ... eine Lustbarkeit nach langer Entbehrung und Ohnmacht, das Frohlocken der wiederkehrenden Kraft... Der Mensch muß von Zeit zu Zeit glauben, zu wissen, warum er existiert...“

Der Komponist sucht die Antwort in der ihn umgebenden Natur und im menschlichen Herzen. Dem ursprünglichen Plan des Verfassers nach sollte die Symphonie aus sieben Sätzen bestehen:

Symphonie Nr. III
„DIE FRÖHLICHE WISSENSCHAFT“
Ein Sommermorgentraum

I. Der Sommer marschiert ein.
II. Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen.
III. Was mir die Tiere im Walde erzählen.
IV. Was mir die Nacht erzählt. (Altsolo).
V. Was mir die Morgenglocken erzählen (Frauenchor mit Altsolo).
VI. Was mir die Liebe erzählt.
Motto: „Vater sieh an die Wunden mein!
Kein Wesen laß verloren sein“
(Aus des Knaben Wunderhorn)
VII. Das himmlische Leben
(Sopransolo, humoristisch).

In der Endfassung der 3. Symphonie blieben aber sechs Sätze übrig; der geplante siebte Teil ging nicht in sie ein und wurde bald darauf zum Finale der 4. Symphonie. Später zog Mahler das erwähnte Programm zurück (in der Tat, wenn selbst der Herrgott die von ihm geschaffene seine Welt nicht „erklären“ kann, gehört es sich auch für den Komponisten nicht, die eigene Komposition dem Zuhörer „vorzukauen“).

Insbesondere, wenn man bedenkt, dass es „von Beethoven angefangen keine moderne Musik <gibt>, die nicht ihr inneres Programm hat.“ So skizzierte Mahler selbst den Beitrag von Beethoven, der erstmalig einer Symphonie den Atem der großen allgemeinmenschlichen philosophischen Ideen einhauchte. Kein Wunder, dass Mahler den Titel „Fröhliche Wissenschaft“ zurücknahm, denn dieser war von dem dramatischen und dramaturgischen Inhalt der Symphonie viel zu weit entfernt. Aber der Kerngedanke Nietzsches – die Gegenüberstellung der erstarrten Natur und dem künstlerischen Geist – erfuhr in der Symphonie ihr zweites Leben.

Die Briefe Mahlers an seine Freunde sind indes voll von Bemerkungen, die die Absicht des Autors enthüllen. „Und so bildet mein Werk eine alle Stufen der Entwicklung in schrittweiser Steigerung umfassende musikalische Dichtung. – Es beginnt bei der leblosen Natur und steigert bis zur Liebe Gottes! … Meine Symphonie wird etwas sein, was die Welt noch nicht gehört hat. Die ganze Natur bekommt darin eine Stimme und erzählt so tief Geheimes, was man vielleicht im Traume ahnt.“ (Aus Mahlers Briefen an Anna von Mildenburg vom 1. und 6. Juli 1896).

Bezeichnenderweise betitelt der Komponist sein Opus selbst als musikalische Dichtung und fährt fort: „Daß ich sie Symphonie nenne, ist eigentlich unzutreffend, denn in nichts hält sie sich an die herkömmliche Form“ (Aus „Erinnerungen an Gustav Mahler“ von Natalie Bauer-Lechner).

Der erste Satz dauert fast so lang wie alle übrigen Sätze zusammen. Nach Anweisung des Komponisten soll er sich von dem auf ihn folgenden Menuett durch eine größere Pause absetzen oder sogar durch eine Unterbrechung. Damit teilte Mahler selbst seine Symphonie in zwei gleichbedeutenden „Abteilungen“ ein.

Im überwältigenden ersten Satz (Kräftig. Entschieden), dessen ungewöhnliche Form nur bedingt als Sonatenrondo bezeichnet werden kann, leben Bilder einer Natur auf, die „stürmisch das Eis aufbricht und die Ufer überflutet“ auf (Iwan Sollertinskij). Auf tragische Kollisionen folgen heroische Aufschwünge, auf ekstatische Ausbrüche Augenblicke der ruhigen Betrachtung. Der im ersten Satz dominierende Marsch verändert sich stellenweise bis zur Unkenntlichkeit.
In der Exposition als phantastisches Pan-Folge einsetzend (mit Mahlers Worten, „vielmehr treiben sich Satyrn und derlei derbe Naturgesellen herum“), nimmt der Marsch zunehmend die Form eines heroischen Voranschreitens an – in ihm sah Richard Strauss nicht zufällig die Arbeiterkolonnen der 1. Mai-Demonstrationen. In der Durchführung verwandelt sich der Marsch grotesk: Der Zug verliert seinen majestätischen Charakter und löst sich auf in das fröhliche Karnevalstreiben einer Menschenmenge auf der Straße. Als ob sie versuchen würden sich gegenseitig zu übertönen, inszenieren die Hörner und Trompeten ein derbes Straßenspektakel, es erklingen ausgelassene Gassenhauer, begleitet vom Getrampel einer Batterie von Schlagzeugen. Mahler äußerte sich gern ironisch bezüglich seines nicht „tadellosen“ Geschmacks: „Daß es bei mir nicht ohne Trivialitäten abgehen kann, ist zur Genüge bekannt. Diesmal übersteigt es allerdings alle erlaubten Grenzen. Man glaubt manchmal, sich in einer Schenke oder in einem Stall zu befinden.“

In der Reprise wirft der Marsch sein groteskes Gewand ab; triumphierend erklingt das Einleitungsthema und beschließt die gigantische symphonische Form. Die abschließende Parade aller „Helden“, d. h. aller musikalischen Themen des Satzes, verleiht der Coda einen deutlich buffonesken Ton.

Der zweite Satz (Tempo di menuetto. Sehr mässig) stellt ein graziöses Menuett dar.
„Es ist das Unbekümmertste, was ich je geschrieben habe“, so Mahler zu Bauer-Lechner, „so unbekümmert, wie nur Blumen sein können. Das schwankt und wogt alles in der Höhe aufs leichteste und beweglichste, ohne Schwere nach unten in der Tiefe, so wie die Blumen im Winde auch biegsam und spielend sich wiegen. Freilich bleibt es nicht bei der harmlosen Blumenheiterkeit, sondern plötzlich wird alles furchtbar ernst und schwer, wie ein Sturmwind fährt es über die Wiese und schüttelt Blätter und Blüten, die auf ihrem Stengel wimmern.“
Und wieder haben wir es mit einem Rondo zu tun: Der friedliche Refrain (das eigentliche Menuett), in dem die Umrisse des Hauptthemas aus dem ersten Satz durchschimmern, wird in den mittleren Episoden von einer Reihe bizarrer und schneller Tänze untermalt, die an den Rhythmus einer Tarantella oder eines Csardas erinnern. Mahler meidet direkte Wiederholungen, alle Themen des Menuetts werden variiert, darauf verweist die Anweisung des Autors: „immer reicher sich entfaltende Variationen“.

Der dritte Satz (Comodo. Scherzando. Ohne Hast) ist ein Scherzo in einer erweiterten dreiteiligen Liedform. Umrahmt wird das Scherzo von der Instrumentalversion des Liedes „Ablösung im Sommer“, das aus dem Zyklus „Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit“ nach den Worten „Des Knaben Wunderhorn“ stammt. Und wieder verblüfft die Vielfalt der Variationen dieser Liedform in den äußeren Abschnitten. Im Mittelteil taucht in dem ein weichen schlichten Posthorn-Solo plötzlich das Motiv eines populären spanischen Tanzes auf, der Jota Aragonesa. Die plötzlich ungestüm eindringende Coda durchbricht dramatisch das ruhige Fließen des Scherzo.

Gerade die ersten drei Sätze der Symphonie gaben Anlass für die Vorwürfe wegen der Uneinheitlichkeit des Stils. In der Tat: Tarantella, Csardas, Jota, Gassenhauer, „Kneipenlieder“... Und das neben einer Schubertschen, mit Wagner gewürzten Harmonik, neben einer „Vorwegnahme“ der Neu-Wiener (zu Recht wird Mahler als deren Vorahne gehandelt). Mahler fürchtet nicht den Vorwurf stilistischer Buntheit, wie vor ihm Tschaikowski und nach ihm Schostakowitsch scheut er auch nicht vor sogenannten „Platitüden“ zurück. Die Zeit hat ihm recht gegeben. Was früher herablassend als „Eklektik“ bezeichnet wurde, ist heute in der Ästhetik der Postmoderne zu einer soliden Terminologie geworden: „Polystilistik“, „Collage“.

Der vierte Satz (Sehr langsam. Misterioso) wendet sich erstmalig an den Menschen. Zum ersten Mal tritt die Stimme auf – ein Altsolo (Contralto). „Und das erste Wort in der Symphonie erklingt gerade hier: „O, Mensch!“ Der Mensch, schutzlos vor der allmächtigen mitternächtlichen Natur <…>, einsam vor der abgründigen Welt, vor der ganzen Trauer der Welt“ (Inna Barsova). Der vierte Satz ist in einer strophischen Form geschrieben, basierend auf dem Gedicht von Friedrich Nietzsche aus seinem philosophischen Poem „Also sprach Zarathustra“:

O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
„Ich schlief, Ich schlief –,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –
Die Welt ist tief,
Und tiefer, als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh –
Lust – tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit –,
– will tiefe, tiefe Ewigkeit!“


Der fünfte Teil (Lustig im Tempo und keck im Ausdruck) wird durch das morgendliche Glockenläuten eröffnet, das den Anbruch des Tages ankündigt. Alles ist vom Sonnenlicht überflutet. Begleitet von einem Knaben-Chor, der das Läuten von Glocken imitiert („Bimm – bamm – bimm – bamm“) und eines Orchesters, in dem hohe Bläser dominieren, die von Glöckchen, einer Harfe und Triangel unterstützt werden, singt ein Frauenchor das schlichte Kinderlied über die himmlische Freude aus „Des Knaben Wunderhorn“ – „Es sungen drei Engel“. Diese Musik idt eine Vorahnung der zukünftigen 4. Symphonie. Die Erzählung über die Sünden und das Leiden des Petrus im Dialog von Altsolo und Chor ist in dunklen Tönen gehalten, und die ehrfürchtige Bewunderung der Kraft und Gnade Gottes wird durch die an liturgische Musik erinnernde Choral-Episoden wiedergegeben.

Es sungen drei Engel einen süßen Gesang,
mit Freuden es selig in dem Himmel klang.
Sie jauchzten fröhlich auch dabei:
daß Petrus sei von Sünden frei!

Und als der Herr Jesus zu Tische saß,
mit seinen zwölf Jüngern das Abendmahl aß,
da sprach der Herr Jesus: „Was stehst du denn hier?
Wenn ich dich anseh’, so weinest du mir!“

„Und sollt’ ich nicht weinen, du gütiger Gott?
Ich hab’ übertreten die zehn Gebot!
Ich gehe und weine ja bitterlich!
Ach komm‘ und erbarme dich über mich!“

„Hast du denn übertreten die zehen Gebot,
so fall‘ auf die Knie und bete zu Gott!
Bete zu Gott nur alle Zeit,
so wirst du erlangen die himmlische Freud’!“

Die himmlische Freud’ ist eine selige Stadt,
die himmlische Freud’, die kein End‘ mehr hat,
die himmlische Freude war Petro bereit’t
durch Jesum und Allen zur Seligkeit!

Clemens Brentano und Achim von Arnim (Hrsg .)
Aus »Des Knaben Wunderhorn« (1805-1808)

Mahlers Biograph Paul Stefan bemerkte zurecht, dass bei Mahler das „Erlebnis des Weltalls auf der Straße beginnt und im Unendlichen endet …“

Der Höhepunkt der Symphonie, das langsame D-Dur Finale (Langsam. Ruhevoll. Empfunden) ist ein festlicher, den Ruhm Gottes preisender Instrumentalhymnus, ein Hymnus der allmächtigen Liebe („Gott ist Liebe“). Das imperative Hauptthema aus der Einleitung zur Symphonie erlebt eine wahre Verwandlung. Hier erklingt es in dem beseelten, majestätischen und ruhigen Gesang der Streichinstrumente. Ein langes Aufsteigen zu den himmlischen Höhen des Geistes, ein dorniger Weg, verdunkelt durch Erinnerungen an schmerzliche Verluste. Dieser Weg gipfelt in einer monumentalen Apotheose, einer der schönsten und erhabensten Seiten der symphonischen Musik, die die Welt kennt. Hell klingende Blechbläser und ein mächtiger vollklingender Streicherchor unterstützen das im vorigen 5. Satz verkündete Credo: „Durch Christus gelangen alle zur Glückseligkeit.“

© 2014 Josif Raiskin

 

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